Zwischen Infrastruktur, Innovation und Verhalten
Wachsende Agglomerationen, eine dynamische Wirtschaft und veränderte Mobilitätsbedürfnisse – die Zentralschweiz steht vor grossen Herausforderungen. Wie lassen sich diese anpacken? Das wollte der Mobilitätskongress 2018 herausfinden.
Das Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartments des Kantons Luzern lud am 31. Januar 2018 zum Mobilitätskongress. Vor rund 300 Vertretern der Zentralschweizer Wirtschaft und Politik diskutierten Experten, Unternehmer und Politiker in der Mall of Switzerland die Mobilität der Zukunft.
Mobilität wächst schneller als Bevölkerung
Zum Auftakt warf Norbert Riesen, Direktor von Lustat Statistik Luzern, zunächst einen Blick zurück. Er zeigte auf, dass im Kanton Luzern zwischen 2005 und 2015 die Wohnbevölkerung um 12 Prozent, das Bruttoinlandsprodukt um 16 Prozent und die Zahl der Erwerbstätigen um fast 20 Prozent zunahmen. Im gleichen Zeitraum stieg die Zahl der Personenwagen um knapp 25 Prozent, die Zahl der ÖV-Passagiere sogar um 60 Prozent. «Die Mobilität wächst im Kanton Luzern stärker als die Bevölkerung und die Wirtschaft», fasste Riesen zusammen.
Durchgangsbahnhof als wichtiges Projekt unterstrichen
Der Nidwaldner Ständerat Hans Wicki nahm den Ball auf und unterstrich, dass es Mobilitätsprojekte wie den Durchgangsbahnhof Luzern braucht: «Trotz oder gerade wegen Megatrends wie der Digitalisierung benötigen wir Infrastrukturprojekte.» Nicht nur das Bevölkerungs- und Wirt-schaftswachstum seien Mobilitätstreiber, auch neue Technologien würden die Mobilität fördern. Als Präsident des Komitees Durchgangsbahnhof Luzern nannte er zudem einen konkreten Termin für den Spatenstich: «Ich setze mich dafür ein, dass der Durchgangsbahnhof ab 2026 gebaut wird!»
Fernbusse sind Innovationstreiber
Dass das Reisebus-Unternehmen Domo-Reisen die bestehenden Verhältnisse herausfordert, gleichzeitig sowohl den Auto- als auch den öffentlichen Verkehr ergänzt, verdeutlichte der Auftritt von Patrick Angehrn, Leiter Linienverkehr bei Domo-Reisen. Das Unternehmen will ab März 2018 in der Schweiz Fernbus-Verbindungen anbieten. «Fernbusse sind ein Innovationstreiber», war sich Angehrn im Interview mit Sonja Hasler. Ein Beispiel sei drahtloses Internet, das in Fernbussen schon lange zum Service gehöre und nun immer mehr auch in Zügen angeboten werde. Auf die Frage, welche Bedeutung Fernbusse für den Kanton Luzern haben, sagte Regierungsrat Robert Küng: «Luzern bekennt sich zu Fernbussen – sie sind eine wichtige Ergänzung zum etablierten ÖV.»
Carsharing – zeitgemässe Mobilität
Von Umwälzungen ist auch der Autoimporteur Amag betroffen. Bernhard Soltermann, Managing Director Amag-Import und Verwaltungsratspräsident des Carsharing-Anbieters Sharoo, zeigte an-hand des Bauprojekts «Sagenmatt» in Ebikon, wie sich die Amag fit für die neuen Mobilitätsbe-dürfnisse macht. «Wir bauen nicht nur 260 Wohnungen, sondern ermöglichen dabei auch eine zeitgemässe Mobilität. Unsere Mieterinnen und Mieter können ein individuelles Mobilitätspaket wählen, das aus Car- und Bikesharing-Angeboten, Beiträgen an ÖV-Abonnemente und einem flexiblen Parkplatz-Angebot besteht.»
Gewohnheits- oder nachfragegetrieben?
Aber sind wir auch bereit, neue Mobilitätsformen anzunehmen? Dieser Frage ging Gerhard Fehr, CEO und Managing Partner des verhaltensökonomischen Beratungsunternehmens Fehr Advice und Partners, auf den Grund. «Pooling- und Sharing-Angebote funktionieren dann, wenn sie einfach und nicht mit Unsicherheiten behaftet sind.» Fehr zeigte zudem auf, dass Grossprojekte stets vielschichtige Ziele verfolgen und sich solche Projekte nur dann lohnen, wenn alle ihre Facetten Nutzen generieren. Eine langfristige Mobilitätspolitik müsse ausserdem berücksichtigen, dass rund 60 Prozent der Menschen kurzfristige Ziele hätten und es unterschiedliche Mobilitätsverhalten gebe: gewohnheitsgetriebene und nachfragegetriebene. Mit Blick auf unsere künftige Mobilität plädierte Fehr schliesslich für ein intelligentes Anreizsystem: «Nicht bestrafende Pricing-Modelle, sondern evidenzbasierte, freiwillige und spielerisch-einfache Belohnungssysteme ändern das Verhalten der Menschen – und zwar fair.
pd/mi