«Sie war ein sehr lebensfroher Mensch»
Vor 14 Monaten verlor Léonie Klingenfuss ihre Mutter nach einer langen Leidensgeschichte
Nur ein neues Herz hätte Pia Klingenfuss Aussicht auf eine lange Zukunft geben können. Doch von einem Tag auf den anderen machte ihr Körper nicht mehr mit und die 47-Jährige wurde selbst zur Spenderin. Nun will ihre Tochter Léonie Aufklärungsarbeit in Sachen Organspende leisten.
Sie war aktiv, hatte viele Pläne. Doch diese hatte sie ohne ihr Herz gemacht. Pia Klingenfuss war noch keine 40, als sie zum ersten Mal einen Herzschrittmacher benötigte. Doch auch mit diesem brachte es ihr Herz bloss auf eine Leistung von knapp 20 Prozent. Zwei Mal wurde ihr durch den Herzschrittmacher mit eingebauten Defibrillator das Leben gerettet. Starke körperliche Anstrengung konnte die zweifache Mutter vergessen. Dafür begann sie, sehr viel zu basteln. «Sie war trotz allem immer ein erstaunlich aktiver und lebensfroher Mensch», erzählt Tochter Léonie. «An ein körperlich gesundes Mami, kann ich mich gar nicht mehr erinnern.»
Ein aussichtsloser Kampf
Als klar wurde, dass Pia Klingenfuss nur mit einem Spenderherz wieder gesund werden kann, war Léonie 13 Jahre alt. «Sie hat mit mir und meiner kleineren Schwester immer sehr offen über das Thema gesprochen», erzählt sie. «Es war auch schon lange klar, dass sie im Todesfall ihre Organe spenden würde.» Doch selbst konnte Pia Klingenfuss nie von einer Transplantation profitieren. Trotz ihrer sehr geringen Herzleistung war sie vergleichsweise zu stabil, um auch nur in die Reichweite eines der raren Spenderherzen in der Schweiz zu kommen. Über zehn Jahre lang kämpfte sich Pia Klingenfuss durch ein Leben mit ungewisser Zukunft. Wurde von Untersuchung zu Untersuchung und von Behandlung zu Behandlung geschickt, bis sie nach einem unerwarteten Schlaganfall und anschliessenden Hirnblutungen im Oktober 2020 plötzlich verstarb.
Ein Schock für die Familie, die erst gerade wieder Hoffnung geschöpft hatte wegen einem neuen Medikament, welches gut angeschlagen hatte. Léonie hatte zu der Zeit erst das zweite Ausbildungsjahr zur Fachfrau Gesundheit begonnen und musste eine Weile pausieren. «Es war schwierig, Menschen wieder aus den Spital zu entlassen», erzählt sie. «Vor allem mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass mein Mami diese Chance nie bekam.» Doch den Kopf hängen lassen kam für die mittlerweile 17-Jährige nicht in Frage. Im Gegenteil: Die selbstsichere Teenagerin kämpft weiter und setzt sich zudem aktiv für die Sensibilisierung von Organspende ein.
«Es fehlt enorm an Wissen»
«Schon in der Schule habe ich seit der 5. Klasse fast jede Präsentation über Organspende gemacht», erzählt Léonie Klingenfuss. Nun will sie auch ihre Abschlussarbeit diesem Thema widmen. «Viele in meinem Alter haben sich noch nie mit diesem Thema auseinander gesetzt», sagt sie. Es fehle enorm an Wissen. «Viele Menschen haben falsche Vorstellungen von einer Organspende und sind sich vor allem beim Thema Hirntod sehr unsicher. Dies möchte ich ändern», so Léonie. Ihre eigene Mutter wurde zur Lebensretterin und konnte mehrere Organen spenden, welche noch intakt waren. Über die Empfänger weiss die Familie jedoch nicht viel. Ausser, dass es ihnen allen gut geht. «Ich bin mir sicher, dass mein Mami sehr glücklich darüber ist, vier Menschen ein weiteres Leben geschenkt zu haben», sagt Léonie wacker. Auch für sie sei es eine schöne Vorstellung, dass ein Teil ihrer Mutter weiterleben kann. «Ich weiss aus eigener Erfahrung, wie sehr man sich als Angehörige einer schwer kranken Person über kleinste Fortschritte freuen kann», sagte Léonie. «Eine Organspende ist das grösste Geschenk, das man einem solchen Menschen machen kann.» Irene Müller