Mietzinsfalle Sozialhilfe
Avenir50plus schlägt Alarm: Kein bezahlbarer Wohnraum mehr für Ältere in der Sozialhilfe
«Ein sicheres Dach über dem Kopf: Für Hunde klar! Für Sozialhilfeempfangende?» Mit diesem Slogan fordert der Verband der älteren Erwerbslosen die Anpassung der Mietzinsobergrenzen in der Sozialhilfe an jene der Ergänzungsleistungen (EL).
«Wer im Alter den Job verliert, ausgesteuert wird und nach dem Verzehr des Ersparten auf das Sozialamt muss, der läuft Gefahr, auch noch seine Wohnung zu verlieren». Das sagt Heidi Joos, Geschäftsführerin von Avenir50plus Schweiz, die kostenlos ältere Betroffene berät. Die Mietzinsobergrenzen seien viel zu tief angesetzt: «Es ist eine Zumutung, wenn Menschen nach einem langen Berufsleben im Alter in die Sozialhilfe abrutschen und man sie dann auch noch zur Aufkündung der Wohnung zwingt.» Avenir50plus Schweiz fordert deshalb von der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) und der Schweizerischen Konferenz der Sozialdirektoren (SODK) in einem offenen Brief, die Gemeinden unverzüglich aufzurufen, die Mietzinsobergrenzen in der Sozialhilfe an jene der Ergänzungsleistungen (EL) anzupassen ? zumindest für Personen 55plus. EL werden u.a. an Personen ausgerichtet, bei denen die AHV- oder IV-Leistungen die Lebenshaltungskosten nicht decken. Diese Leistungen müssen aktiv bei der AHV-Zweigstelle beantragt werden. Das Bundesparlament hat im letzten Jahr entschieden, die Mietzinsobergrenzen bei den EL nach über zwanzig Jahren erstmals den Marktpreisen anzupassen. Für die Stadt Luzern beträgt diese Obergrenze für eine alleinstehende Person neu brutto 1325 Franken (vorher 1100 Franken). Keine Mietzinsanpassungen an die Marktlage gibt es jedoch bei der Sozialhilfe. Jede Gemeinde kann, - im Unterschied zu den Leistungen der EL, die vom Bundesrat bestimmt werden -, selbst entscheiden, wie hoch sie diese Obergrenze festlegt. «Da die politisch Verantwortlichen sich davor fürchten, eine Erhöhung ziehe zusätzliche Sozialhilfebeziehende an, wird die Mietzinsobergrenze bewusst tief gehalten», ist sich Heidi Joos sicher. In der Stadt Luzern beträgt diese aktuell 850 Franken netto für eine alleinstehende Person.
Immobilienpreise stiegen um 70 Prozent
Übermässiger Bevölkerungszuwachs sowie anhaltende Niederzinspolitik bewirkten in den letzten Jahren einen Bau- und Renovationsboom. Gemäss einer Studie von Europe Economics zur wirtschaftlichen Auswirkung der Bilateralen I stiegen die Immobilienpreise innerhalb von 18 Jahren um rund 70 Prozent. Während der Wert der Liegenschaften sich ohne Dazutun erhöhte, zahlten vor allem Sozialhilfebezüger/-innen die Zeche. Das Prinzip ist bekannt: Ein Mieterwechsel zieht eine kleine Renovation nach sich und der Nachmieter zahlt danach einige hundert Franken mehr. Die steigenden Mietkosten sind für alle Geringverdienenden ein gewaltiges Problem, vor allem aber für ältere Personen, die nach dem Verlust der Arbeit von der Sozialhilfe aufgefordert werden, ihre angestammte Wohnung zu verlassen. Es verhält sich so, dass die Sozialhilfe der Luzerner Gemeinden, die sich auf die SKOS-Richtlinien stützen, die ursprüngliche Miete bis zum nächsten Kündigungstermin übernehmen müssen.
«Wohnungskündigungen lösen Ängste und Depressionen aus» (Heidi Joos)
Der Entscheid mit dem Hinweis, die Wohnung innerhalb einer Frist aufkünden zu müssen, kann bei älteren Menschen, die seit Jahren im Quartier verankert sind, zu einer Schockwirkung führen. Vielen Betroffenen sei zudem nicht bewusst, dass sie gegen die Entscheide der Behörden Einsprache erheben können, klärt Joos auf. «Kann der Betroffene nachweisen, dass er trotz heftiger Suche keine günstigere Wohnung gefunden hat, sind die Sozialbehörden verpflichtet, diesen Mietzins weiterhin zu übernehmen.» Dies bestätigt auch Felix Föhn, Leiter bei den Sozialen Diensten der Stadt Luzern. Allerdings gäbe es in der Stadt Luzern keine Bestrebungen, die Mietzinsrichtlinien an die EL-Ansätze anzupassen. «Wir stellen fest, dass für den geltenden Höchstbetrag eine Wohnung gefunden werden kann. Wir sind uns aber auch bewusst, dass damit eine eingeschränkte Auswahl an Wohnungsangeboten zur Verfügung steht.»
Überbrückungsleistung: Kleiner Lichtblick für 60plus
Ende Jahr beschloss das Bundesparlament, dass die Überbrückungsleistung für 60plus voraussichtlich im Juli in Kraft trete. Davon profitieren Erwerbslose, die das 60. Altersjahr erreicht haben und gleichzeitig ab 1. Januar ausgesteuert werden. Das sind wenige im Vergleich zur Gruppe, die bereits vor sechzig ausgesteuert wird und somit nicht von diesem Angebot profitieren kann. Diese müssen weiterhin auf das Sozialamt. Für Heidi Joos ist es ein Skandal, dass das Parlament diese Leistung nicht auf alle ausgedehnt hat, die zumindest ab dem 58. Altersjahr ohne Arbeit sind. Für Heidi Joos liegt die Lösung auf der Hand: «Entweder muss die Arbeitswelt die älteren Jobsuchenden wieder vermehrt integrieren und falls nicht, sollten sie sozial besser abgefedert werden.» Aber dazu benötige es neue Strukturen, «denn wer im Alter Sozialhilfe bezieht, soll nicht schlechter gestellt sein als Personen, die im Rahmen der Invalidenversicherung EL beziehen.»
Stefan Kämpfen
Avenir50plus Schweiz
Avenir50plus Schweiz wurde vor acht Jahren aus der eigenen Betroffenheit heraus gegründet. Sitz dieses Verbandes der älteren Erwerbslosen ist in Luzern. Er berät einerseits kostenlos ältere Erwerbslose und von Erwerbslosigkeit Bedrohte, andererseits setzt er sich auch politisch für die Interessen der Betroffenen ein (www.avenir50plus.ch).