Es fehlen Hochqualifizierte
Mann und Frau pendeln nach Zug, Bern, Zürich. In Luzern fehlen vor allem hochqualifizierte Arbeitskräfte. Was tun? Lanciert wurde die Luzerner Fachkräfteinitiative mit "De Füfer ond ds Weggli". Jetzt folgt der erste Talent-Apéro.
"Der Druck auf den Klassenbesten steigt", erklärte Rudolf Wehrli, der ehemalige Präsident von Economiesuisse, an einem Wirtschaftsanlass über den Fachkräftemangel. Es herrscht ein Kampf um Talente, wie Christine Davatz-Höchner, Vizedirektoren und Bildungsverantwortliche des Schweizerischen Gewerbeverbandes (sgv), bestätigt. Der Mangel an qualifizierten Fachkräften ist in vielen Branchen eine zentrale Herausforderung. Zu diesem Ergebnis kam die Arbeitgeberstudie "Recruiting Trends 2012 Schweiz".
Verschärfung mit der Zuwanderungsinitiative
Seit der Annahme der Zuwanderungsinitiative sorgt in der Wirtschaft und in den Medien der Mangel an Fachkräften noch stärker für Schlagzeilen. Bundesrat Johann Schneider-Ammann brach kürzlich eine in Fachkreisen längst erwartete Lanze dafür. Auch das Potenzial von Menschen mit Behinderung soll genutzt werden, um das inländische Arbeitskräftepotenzial besser einzubinden. Im Ständerat fand eine Debatte zum Fachkräftemangel statt. In diesem Zusammenhang steht auch die aktuelle Umfrage der Wirtschaftsredaktion des Schweizer Fernsehens (SRF), die zeigt, dass in den grossen börsenkotierten Konzernen verhältnismässig wenig Lernende ausgebildet werden.
Verschlechterung in Luzern
Gemäss einer Studie von Credit Suisse (CS) zum Thema "Standortqualität der Schweizer Kantone und Regionen", die auf Erhebungen des Bundesamtes für Statistik beruht, liegt der Kanton Luzern bezüglich Verfügbarkeit von Fachkräften noch im schweizerischen Mittel. Betrachten wir ausschliesslich die Verfügbarkeit von hochqualifizierten Fachkräften, positioniert sich Luzern unter dem schweizerischen Durchschnitt. Die Verfügbarkeit von hochqualifizierten Fachkräften hat sich zwischen 2009 und 2013 in den Zentralschweizer Kantonen (Zug ausgenommen) verschlechtert. In dieser Diskussion zu bedenken ist, dass das Pendleraufkommen in der Zentralschweiz überdurchschnittlich gewachsen ist, wie auch die jüngste CS-Studie über wirtschaftliche Perspektiven (Januar 2015) darlegt.
Neue Anforderungsprofile in der Berufswelt
Auf Anfrage bestätigte Kurt Simon, Leiter Abteilung Arbeitsmarkt des Kantons Luzern, Dienststelle Wirtschaft und Arbeit, gegenüber der Luzerner Rundschau, dass sich der Fachkräftemangel breit über verschiedene Branchen, Berufsfelder und Hierarchiestufen verteilt. "Ganz speziell betroffen sind neue Branchen und Berufe, die sich aus dem bisherigen Strukturwandel ergeben haben. Exemplarisch dafür sind Berufe aus den Branchen Mathematik, Informatik, Natur- und Ingenieurwissenschaften sowie Technik (MINT)."
Der Arbeitsmarkt werde sich in technologischer Hinsicht künftig noch rasanter verändern. Zu denken ist etwa an die Robotik und Automatisierung. Oder, wie schrieb kürzlich Meedia, Deutschland grösstes Medien-Portal: "Digitalen Talenten gehört die Zukunft" mit Berufen wie Big Data Scientist, Chief Digital Officer, Content Marketing Manager, Mobile Developer oder Operations Manager. Kurt Simon: "Neue Anforderungsprofile werden entstehen. Agieren Ausbildung und Weiterbildung nicht rechtzeitig darauf, wird sich einerseits der Fachkräftemangel verstärken, und es droht andererseits eine ‹technologische› Arbeitslosigkeit." Seiner Meinung nach müssen nachhaltige Lösungen von der Bildungs-, Familien- und Integrationspolitik kommen.
"De Füfer ond ds Weggli" von der Wirtschaftsförderung Luzern
Gespräche mit Wirtschaftsleuten, Rückmeldungen einer breiten Umfrage zu hochqualifizierten Fachkräften und regelmässige Medienberichte zum Thema "Fachkräftemangel" führten vor gut einem Jahr im Kanton Luzern zu einer Image-Kampagne für Unternehmen. Die Wirtschaftsförderung Luzern nahm die Anliegen auf und lancierte die Fachkräfteinitiative. Ziel ist es, den Kanton Luzern als attraktive Arbeitsregion und Luzerner Unternehmen als attraktive Arbeitgeber bekannt zu machen. An mehreren Bahnhöfen im Kanton wurden "E Füfer ond es Weggli" verteilt, um aufzuzeigen, dass Arbeitsplatz und Wohnkanton kombiniert werden könnten. Ihre Plattform stellt Netzwerkpartner und weitere ausgewählte Unternehmen vor und zeigt auf, welche Berufsgruppen diese Firmen anbieten. Und man erfährt, warum es sich lohnt, nicht weg zu pendeln.
Die Fachkräfteinitiative des Bundes gibt es seit 2011, und sie wurde nach dem 9. Februar 2014 ausgebaut. Sie enthält sinn- und massvolle Schritte und nimmt überdies auf die Kompetenzen der staatlichen Ebenen Rücksicht. Die wichtigsten Massnahmen betreffen die Höherqualifizierung, die Verbesserung von Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Integration von älteren Arbeitnehmenden in den Arbeitsmarkt.
Neu ein Talent-Apéro
Eine weitere Massnahme ist jetzt der Mitte April stattfindende Talent-Apéro Zentralschweiz, organisiert von der together ag und InnovationsTransfer Zentralschweiz (ITZ), einem Verein mit 200 Mitgliedern aus Wirtschaft und Gewerbe, Vertretern der Zentralschweizer Regierungen, Wirtschaftsförderungen und der Hochschule Luzern. Studierende verschiedener Hochschulen mit einem Bezug zur Zentralschweiz werden am 17. April in Luzern mit der regionalen Wirtschaft in Kontakt gebracht. "Mit dem Talent-Apéro wird das Ziel verfolgt, diese angehenden Fach- und Führungskräfte nicht zu verlieren", erklärt Adrian Fischer, Geschäftsführer und Inhaber der together ag. Er verspricht sich von diesem Talent-Apéro, dass möglichst viele Kontakte zwischen an der Zentralschweiz interessierten Studierenden verschiedener Hochschulen und regional verankerten Unternehmen geknüpft werden können. Adrian Fischer: "Das Ziel ist, eine weitere Massnahme zu etablieren, um die Abwanderung von Hochqualifizierten aus der Zentralschweiz zu reduzieren und gleichzeitig die Zuwanderung zu verstärken." Wie er auf Nachfrage der Luzerner Rundschau mitteilte, haben sich insgesamt 13 Unternehmen für den Talent-Apéro Zentralschweiz angemeldet. Adrian Fischer ist zufrieden: "Es ist ein guter Mix an Unternehmen bezüglich Grösse und Branche."
Erich Herger