«Ereignisse können schnell eskalieren»
Im Falle von Katastrophen und Notlagen wird er für die Krienser Bevölkerung aktiv
Elmar Kunkler ist neuer Chef Bevölkerungsschutz der Stadt Kriens. Im Interview erklärt er, was die Aufgabe beinhaltet und wie er sie angehen will.
Was reizt Sie an der neuen Aufgabe?
Gegenwärtig arbeite ich hauptberuflich als Instruktor im Zivilschutz im Kanton Zug. In diesem Zusammenhang bin ich für die Ausbildung der zivilen Gemeindeführungsstäbe im Kanton sowie deren Führungsunterstützungseinheiten zuständig. Dies ist ein sehr spannendes und abwechslungsreiches Arbeitsumfeld, in dem ich im ständigen Austausch mit Stabschefs und politischen Vertretern der Gemeinden in beratender und unterstützender Hinsicht stehe. Gemeinsam führen wir Analysen zu möglichen Bedrohungslagen durch und konzipieren daraus Ausbildungen und Übungen, die ich leiten darf. Neben dieser Aufgabengebiete leite ich in fachlicher Hinsicht die Betreuungsformationen des Zivilschutzes sowie das Care-Team der Notfallorganisation des Kantons Zug. Aufgrund der aktuellen pandemischen Lage, sehe ich mich täglich mit Unterstützungseinsätzen und dem Leidensdruck der Bevölkerung konfrontiert. Meine Ernennung zum Chef Bevölkerungsschutzes der Stadt Kriens, fällt somit inmitten der aktuellen Krise und lässt mir demzufolge keine Zeit mich einzuarbeiten, sondern verlangt von Anfang an ein Funktionieren ab.
Wie gehen Sie Ihr neues Amt an?
Es ist wichtig, mir so rasch wie möglich über die Partnerorganisationen des Bevölkerungsschutzes auf Stufe der Gemeinde einen Überblick zu verschaffen. Es ist unabdingbar und für Einsätze zwingend erforderlich, dass bereits vor einem Einsatz Führungsprozesse bekannt sind und sich die Entscheidungsträger kennen. In der ersten Welle der gegenwärtigen Pandemiesituation berief der Stadtrat den Führungsstab ein, wo bereits intensiv nach einem Führungsrhythmus gearbeitet wurde. Diese Strukturen haben sich sehr gut bewährt. In der aktuellen Situation geht es nun darum den Informationsfluss zwischen dem kantonalen Führungsstab und der Stadt Kriens zu intensivieren sowie den Stadtrat bei seinen Entscheidungsfindungen zu beraten. Dies ist eine anspruchsvolle Aufgabe und ich freue mich auf diese Zusammenarbeit.
Wie bereiten Sie sich auf potentielle Katastrophen oder Notlagen vor, die ja kaum abschätzbar sind?
Im Bevölkerungsschutz unterscheidet man zwischen planbaren sowie überraschenden Ereignissen. Die Bewältigung des Ereignisses steht dabei im direkten Verhältnis der Intensität mit dem Faktor Zeit sowie der räumlichen Ausdehnung. Diese Faktoren haben einen massgeblichen Einfluss auf die Beurteilung bzw. Einstufung des Ereignisses in eine normale, besondere oder ausserordentlichen Lage. Ein Ereignis kann je nach Lage schnell eskalieren, wobei die Leistungskapazitäten der im Einsatz stehenden Formationen schnell an ihre Grenzen gelangen kann, worauf die Koordination weiterer benötigter Mittel schnell und unkompliziert organisiert werden muss. Während Natur- oder technisch bedingte Ereignisse oftmals lokal eingrenzbar sind und in der Dimension relativ rasch ersichtlich und beherrschbar werden, erfordern insbesondere gesellschaftliche Ereignisse wie die aktuelle Pandemiesituation besondere Massnahmen. Mit grossem Unbehagen wurden wir in den vergangenen Tagen durch den Bundesrat orientiert, wonach mit grosser Besorgnis auf hoch infektiöse Mutationen des Corona-Virus hingewiesen wurde. Nun muss alles daran gesetzt werden, eine weitere Ausdehnung der Übertragungsketten zu minimieren bzw. zu unterbrechen. Ziel der aktuellen Massnahmen muss es sein, einen Wendepunkt in der Ausdehnung herbeizuführen bzw. diesen zu erzwingen. Die zuständigen Führungsorgane auf Stufe Kanton und der Gemeinden stehen dazu in einem intensiven Informationsaustausch und beurteilen die Situation sehr genau. Die Stadt Kriens arbeitet dazu eng mit dem Kanton zusammen.
Was bereitet Ihnen für die Zukunft Sorgen (abgesehen von Corona)?
Die Stadt Kriens befindet sich zurzeit in einem enormen Wandel wie am Stadtbild sowie aus den Medien zu erkennen ist. Als Bürger dieser Stadt betrachte ich diesen Wandel sehr positiv, denn er geht in die richtige Richtung, auch wenn der Weg dorthin aktuell etwas steinig erscheinen mag und es noch einige Zeit und Aufwand bedarf. Die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Kriens sind alle eingeladen, an der Entwicklung der Stadt beizutragen. Der Stadtrat leistet dazu gute Arbeit und kommuniziert offen und transparent.
Sie waren u.a. bei der Schweizer Garde und bei der Polizei tätig. Inwiefern hilft Ihnen Ihr Erfahrungsschatz für die zukünftige Tätigkeit?
Die Zeit bei der Päpstlichen Schweizergarde war sehr intensiv und lehrreich, woran ich mich sehr gerne zurückerinnere. Meine persönlichen Höhepunkte dieser Zeit waren unter anderem die persönlichen Gespräche mit Papst Johannes Paul II, meine Vereidigung als Gardist sowie das persönliche Vorstellen meiner Eltern vor dem Papst, was mich sehr geehrt hatte. Nach meiner Rückkehr aus dem Vatikan durfte ich während mehreren Jahren bei der Luzerner Polizei in verschiedenen Abteilungen sowie der Feuerwehr sehr wertvolle Erfahrungen sammeln. Es ist sicher kein Nachteil zu sagen, dass dieses Netzwerk in Bezug auf eine Krisenbewältigung sehr nützlich und fördernd sein kann. Es ist wichtig in Krisen Köpfe und Prozessabläufe zu kennen.
Sie führen diese Arbeit nebenamtlich aus. Von wie viel Prozent reden wir da?
Der effektive Aufwand für diese Tätigkeit richtet sich nach mehreren Faktoren. Grundsätzlich gilt zu sagen, dass mein Einsatz in der normalen Ereignislage einen beratenden Charakter des Stadtrates oder der Behördenmitglieder darstellt und ich als Bindeglied zwischen der Stadt Kriens und dem kantonalen Führungsstabes fungiere. Tritt ein ausserordentliches Ereignis ein, das mit den ordentlichen Verwaltungsprozessen nicht mehr bewältigt werden kann, so beruft der Stadtrat den Chef Bevölkerungsschutz ein. Der Chef Bevölkerungsschutz hat die Aufgabe, in der Stadt Kriens Vorbereitungsarbeiten zu treffen und Strukturen zu schaffen, um im Falle von Katastrophen und Notlagen schnell und wirksam für die Bevölkerung aktiv werden zu können. Der Unterscheidung der normalen und der ausserordentlichen Lage liegt zu Grunde, dass meine Tätigkeit und Einsatz als Chef Bevölkerungsschutz als nebenamtliche Tätigkeit einzustufen ist.
Was wünschen Sie hinsichtlich der Zukunft?
In der unmittelbaren Zukunft wünsche ich mir ein rasches Ende der Pandemiesituation. Um dieses Ziel zu erreichen ist es nun wichtig, dass wir die Bevölkerung mitnehmen, die angeordneten Schutzmassnahmen und Schutzkonzepte umzusetzen. Dies braucht sehr viel Disziplin eines jeden Einzelnen unserer Gesellschaft. In persönlicher Hinsicht hatte ich zu Beginn der zweiten Welle im erweiterten Familienkreis einen Todesfall wegen den Folgen des Corona-Virus zu beklagen. Das rasante Tempo der Diagnose und des Todeseintrittes hat mich sehr betroffen gemacht. Aufgrund der Umstände war es nicht möglich persönlich Abschied zu nehmen. Dieses Schicksal teile ich nun mit so vielen anderen Personen und kann mich deshalb sehr gut in deren Lage versetzen. Hinzu kommen unzählige Gespräche mit Angehörigen des Gesundheitswesens sowie freiwilligen Helfern in beruflicher und privater Hinsicht in Spitälern, Heimen oder zu Hause, die sich seit Monaten unermüdlich um die medizinische und psychosoziale Betreuung von erkrankten, bedürftigen oder hinterbliebenen Personen kümmern. Ihnen allen gilt mein persönlicher Dank!
Interview: Stefan Kämpfen